Arts
Es ist wieder soweit, die Heimreise beginnt und ich steige ein, einige Stunden werden vergehen und ich tauche ab in die Dunkelheit des Abends. Ich werde viele Bahnhöfe sehen, stummen Menschen begegnen und das Rattern des Zuges beim Fahren auf den Gleisen die ganze Zeit hören. Ich werde aussteigen und warten und wieder einsteigen und auf die nächste Zwischenstation hoffen und irgendwann am Ziel angekommen sein. Ich beobachte die vielen Menschen aus meinen Augenwinkeln heraus, während Axel Rose meine Ohren betäubt. Ein älteres Ehepaar diskutiert darüber, warum der Zug nicht pünktlich wie auf der Anzeige stehend losfährt, ein junger Mann trommelt mit seinen Händen nach den Rhythmen eines Liedes, welches ihn einzufangen scheint und ganz in seiner kleinen Welt umschließt. Zwei türkische Frauen unterhalten sich energisch über die Untaten ihrer Männer,mal in Türkisch dann wieder in Deutsch, dann vermischen sich beide Sprachen und ich kann nur noch mir verständliche Worte auffangen...Laptop...Küche...Casino...macht eh was er will...scheiss drauf...ich sag`s ihm...vergiß es... Vorne an der Treppe treffen eine Norddeutsche und eine Österreicherin aufeinander und fangen sofort eine angeregte Unterhaltung. Beide kamen woher und fahren wohin und sie finden immer eine Gemeinsamkeit über die es sich zu unterhalten lohnt. Ein paar Sitze weiter schaut mich über das Spiegelbild im Fenster ein älterer Mann an. Wir können uns gegenseitig erblicken, ohne uns direkt anzusehen. Was er wohl denken wird? Vielleicht störe ich ihn ja dabei zu schlafen? Wer läßt sich schon gerne beim Schlafen zusehen. Genau wie das Mädchen gegenüber. Sie sieht hübsch aus und strahlt eine gewisse Erhabenheit aus. Wenn da nicht aber die unübersehbaren Krümel im Gesicht wären, die sich unbemerkt festgekrallt haben von diesem gigantischen Sandwich. Ist es ihr Selbstbewußtsein oder hat sie es einfach nicht bemerkt, weshalb sie unbekümmert weiterschaut und so ist wie sie ist. Mit einem leichten Schmunzeln erwacht die Szene aus "Die Nudel" von Loriot in meinen Gedanken. Sicherlich sind um die dreißig Menschen in diesem rollenden Raum, jeder in seiner eigenen Welt. Was wohl gerade in ihren Köpfen vor sich geht? Wo fahren Sie hin, wo kamen sie her? Noch ist alles ruhig, doch so bald der Zug hält, entsteht eine plötzliche Hektik und entreißt sie aus ihrem Dasein, hinein in eine neue Welt, in der sie sich zurechtfinden müssen und doch wieder entfliehen. Und wieder beginnt für viele die einsteigen, die Fahrt irgendwohin, in ihrer eigenen kleinen Welt, abgeschlossen für eine gewisse Zeit. Doch hin und wieder werden alle aus dieser eigenen, kleinen Welt herausgerissen... ...es klingelt das Telefon!